Traurig sein üben
Schon ein ganz normaler Kinderalltag bietet genug Anlässe, traurig zu sein. Das können in unseren Augen Kleinigkeiten sein, wie eine abgesagte Verabredung oder ein Loch in der Lieblingshose. Wie reagieren wir darauf? Nehmen wir uns die Zeit zuzuhören, geben wir dem Kind das Gefühl, dass es okay ist, traurig zu sein? Stülpen wir ihm vorgefertigte Strategien über, die uns helfen würden, aber vielleicht nicht unbedingt unserem Kind? Bieten wir Ablenkung oder Ersatz an? Was ist unsere Strategie für traurige Situationen?
Eigene Baustellen
Ein Großteil unserer Erziehung passiert nebenbei, indem wir unseren Kindern vormachen: So gehen wir mit bestimmten Situationen und Gefühlen um. Wir haben also vielleicht den Plan, offen auf die Fragen unserer Kinder zu reagieren, aber das ist nicht immer so einfach. Wenn dich dein Kind nach der Tumor-OP deiner Mutter zwischen Tür und Angel fragt, ob Omas Kopf jetzt wieder „roperiert“ ist? Das weißt du in dem Moment selbst nicht so genau, du hast Angst um deine Mutter. Vielleicht erwischt dich aber auch eine ganz allgemeine Frage auf dem falschen Fuß: Was meint die alte Dame von nebenan, wenn sie sagt, ihre Schulfreundin sei nun nach langer Krankheit „heimgegangen“?
Endlich leben
Kinder spüren sehr genau, wenn ihren Eltern eine Frage unangenehm ist oder gar Angst macht. Deshalb: Die Sonne scheint, die Blumen blühen, das Leben ist schön! Perfektes Timing, sich genau jetzt in die dunklen Ecken vorzuwagen und zu überlegen: Wie geht es mir mit dem Thema Tod, mit meiner Endlichkeit? Wie haben meine Eltern mit mir darüber geredet? Welche Erfahrungen habe ich gemacht? Ich möchte nicht so weit gehen wie Joseph Beuys („Wer den Tod nicht kennt, der weiß nicht, was denken ist.“), aber im Wonnemonat Mai (und auch zwischendurch immer wieder mal) das Thema Tod an sich heranzulassen, halte ich für eine großartige Idee. Und nicht nur wegen der neugierigen Fragen unserer Kinder.