Was als klassischer Schulgarten begann, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem außergewöhnlichen Lernort entwickelt. Hier wird gegraben, gepflanzt, gerochen und geschmeckt – und das oft mit verblüffenden Aha-Momenten. Im vergangenen Jahr besuchten über 6500 Schüler:innen gemeinsam mit ihrer Klasse den Zentralschulgarten, erzählt Sascha Grünewald, der den 3,5 Hektar großen Garten leitet. 90 Prozent der Gruppen sind Grundschulklassen, die restlichen zehn Prozent stammen aus weiterführenden Schulen und Förderschulen. Wer jetzt denkt, dass am Nachmittag Ruhe einkehrt, der irrt. Aktuell kommen zwölf Gruppen aus dem OGS-Bereich regelmäßig in den Schulgarten. Ein Sportverein bietet auf dem Gelände sogar eine eigene Übermittagsbetreuung mit dem Schwerpunkt „Natur und Bewegung“ an. „Hier ist immer Leben“, so Sascha Grünewald. Ein Besuch im Schulgarten dauert in der Regel 1,5 Stunden. Vorab wählen die Lehrkräfte aus verschiedenen Themenschwerpunkten aus. Je nach Programm geht es dann beispielsweise in den Frühblühergarten, den Gemüsegarten oder auf die Streuobstwiese. Besonders beliebt ist das Programm „Der Schulgarten und die fünf Sinne“. Hierbei lernen Kinder auf spielerische Weise, wie Obst, Gemüse und Kräuter wachsen. „Gerade die handlungsorientierten Erlebnisse sind es, die die Kinder begeistern“, erklärt Sascha Grünewald. „Einen Apfel direkt vom Baum zu pflücken oder eine Paprika zu ernten und reinzubeißen – das sind Momente, die in Erinnerung bleiben.“
Von der Hexenküche bis zum Kompost
Ein weiteres Highlight ist das Thema „Hexenküche 1-2-3“, bei dem Kinder 15 verschiedene Kräuter kennenlernen und am Ende eine eigene Kräuterbutter oder einen Kräuterquark zubereiten. Anfangs sind viele skeptisch – „Das mag ich nicht!“, heißt es oft. Doch fast alle probieren am Ende und staunen: „Die esse ich jetzt immer! Aber nur selbst gemacht.“ Doch der Schulgarten bietet noch mehr als kulinarische Aha-Momente. Auch Themen wie Klimawandel, Umweltschutz oder Kompostierung werden behandelt. Gemeinsam mit der Awista werden für Schulklassen Workshops zur Müllverwertung angeboten. Zudem zeigt das Thema „Heimische Gehölze leicht erkannt und gemerkt“, dass in Deutschland mittlerweile Pflanzen wachsen, die hier früher wegen des Klimas undenkbar gewesen wären. Auch die Bedeutung von Insekten für die Bestäubung wird anschaulich vermittelt.
Natur beruhigt
Die Wirkung der Natur auf Kinder ist enorm. „Wenn Schulklassen kommen, hört man oft von Lehrenden: ‚Auf den müssen Sie aufpassen, der ist ganz schwierig.‘ Und mir fällt das dann gar nicht auf“, erzählt Sascha Grünewald. „In der Natur ist das soziale Miteinander oft viel einfacher. Die Kinder können sich frei bewegen, beobachten und mit allen Sinnen lernen. Das beruhigt.“ Gerade in einer Zeit, in der viele Kinder nur noch wenig Bezug zur Herkunft ihrer Lebensmittel haben, ist der Schulgarten ein wertvoller Lernort. „Ein Junge wollte wissen, wo der ‚Dönerbaum‘ steht“, schmunzelt Grünewald. Und weil es im Schulgarten keine doofen Fragen gibt, erklären Sascha Grünewald und sein Team die Zusammenhänge: Die Tomaten für den Döner wachsen hier, der Krautsalat stammt vom Kohl – und wie all das angebaut wird, lernen die Kinder direkt vor Ort. Solche Erkenntnisse nehmen die Kinder mit nach Hause und erzählen oft begeistert davon. Seit 27 Jahren arbeitet Sacha Grünewald nun im Zentralschulgarten, und in dieser Zeit ist nicht nur der Garten, sondern auch er selbst mitgewachsen. „Ich werde jetzt 50 Jahre alt und habe als junger Mensch hier angefangen. Das Schöne ist: Man kann den Garten stetig weiterentwickeln.“ Aktuell liegt ihm besonders der Mehr-Generationen-Garten am Herzen, in dem Menschen jeden Alters gemeinsam gärtnern können – barrierefrei und inklusiv. „Ich überlege auch, etwas zum Thema Einsamkeit anzubieten“, sagt er. „Gerade nach Corona betrifft das viele, auch Jugendliche. Ein Garten kann verbinden. Hier kann man Gemeinschaft erleben, ohne viele Worte zu brauchen.“
Ein geschützter Raum
Der Zentralschulgarten ist kein öffentlicher Park, sondern ein geschützter Lernort. Drei Mal im Jahr gibt es jedoch einen Tag der offenen Tür, und wer möchte, kann sich im Mehr-Generationen-Garten engagieren. Für viele Kinder ist der Besuch ein besonderes Erlebnis – eines, das oft lange nachwirkt. „Wir ermutigen sie immer, das Gelernte mit nach Hause zu nehmen: Macht doch mal die Kräuterbutter mit euren Eltern! Geht zusammen einkaufen und bereitet sie gemeinsam zu. Dann könnt ihr euren Eltern mal was beibringen.“ Ein Gedanke, der nicht nur den Kindern, sondern auch den Erwachsenen Freude macht. Und wer weiß – vielleicht wächst aus einem einzigen Besuch die Neugier, mehr über die Natur und ihre Zusammenhänge zu lernen.