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Pia verbreitet gute Laune

Sarah Diedrich erfuhr in der 13. Schwangerschaftswoche, dass ihre Tochter Trisomie 21 hat. Sie und ihr Mann haben Pia von Anfang an, schon im Bauch, geliebt und so gewollt, wie sie ist. 

kleines Mädchen mit Down Syndrom und Brille guckt in die Kamera

Pia Arras-Pretzler

22.02.2024

Lesezeit 4 Minuten

Wie viele Kinder haben Sie? Welches Kind hat das Extra-Chromosom?

Wir kommen aus Mühlheim an der Ruhr und haben zwei Kinder. Unser Sohn Leon ist 9 Jahre alt und unsere Tochter Pia Marie ist seit Ende September 6 Jahre alt. Pia hat Trisomie 21.

Zu welchem Zeitpunkt war klar, dass Ihr Kind Trisomie hat?

Das haben wir in der 13. Schwangerschaftswoche erfahren. Gerechnet haben wir damit natürlich nicht. Und erstmal war es ein Schock.

Wie sind Sie damit umgegangen?

Uns war ab der ersten Sekunde klar , dass wir Pia natürlich bekommen. Eine Abtreibung kam für uns auf gar keinen Fall in Frage. Wir haben unser Kind von Anfang an, schon im Bauch, geliebt und so gewollt, wie sie ist. Daran sollte die Diagnose nichts ändern ... Wir haben uns bewusst für ein zweites Kind entschieden, und dann nehmen wir dieses Kind auch so, wie es sich entscheidet, auf diese Welt zu kommen. Wer sind wir Menschen, dass wir meinen, über Tod und Leben bei ungeborenen Babys entscheiden zu dürfen? Das verstehe ich bis heute nicht: dass ein Kind mit Behinderung in der Gesellschaft offensichtlich weniger Wert hat als ein Regelkind. Sehr traurig ist es , dass die Toleranz in unserer Gesellschaft nicht ausreichend vorhanden ist, was die Besonderheiten von Menschen mit Trisomie 21 betrifft. Meine Schwangerschaft war familiär eine sehr anstrengende und emotionale Reise. Es hat mich einiges an Energie gekostet.

Wie ging es dann weiter?

Wir haben uns natürlich viele Gedanken und Sorgen gemacht. Viele schlaflose Nächte waren dabei, da weder mein Mann noch ich Berührungspunkte mit Menschen mit Down-Syndrom hatten. Daher waren wir auch unsicher, ob wir das schaffen als Familie, weil wir einfach nicht wussten, was auf uns zukommt. Ich hatte viele Ängste und habe mich in der Schwangerschaft schon sehr viel belesen, verschiedene Familien mit Kindern, die das Down-Syndrom haben, besucht und mich intensiv damit beschäftigt, welche tollen Eigenschaften diese besonderen Menschen haben.

Was hätten Sie damals schon gern gewusst?

Ich hätte damals schon gerne gewusst, was für eine Bereicherung Pia für uns, unsere Familie und unsere Freunde ist. Sie ist einfach so ein Goldstück und erhellt die Gemüter von jedem, dem sie begegnet. Ich kenne niemanden , der morgens schon so freudig aufwacht und so gute Laune verbreitet ... von Pias Lachen kann man sich nur anstecken lassen. Sie geht ihren eigenen Weg Schritt für Schritt und mit unserer Unterstützung wird sie das auch schaffen. Mit einer positiven Einstellung, was die Zukunft von Pia betrifft, ebnen wir auch als Familie ihren Weg, davon bin ich überzeugt. Zweifel bringen uns nicht weiter und jedes Kind auf dieser Welt hat seine Herausforderungen, die es meistern muss. Pia ist genügsam und benötigt einfach etwas mehr Zeit als andere, um Dinge zu lernen und zu verinnerlichen. Das ist auch gut so. Sie ist sehr bei sich und lebt immer im Hier und Jetzt. Da können wir Erwachsenen uns auf jeden Fall ein Beispiel daran nehmen. Auch ihr großer Bruder Leon liebt sie von ganzem Herzen. Und umgekehrt ist Leon Pias Held. Sie schaut sich alles von ihm ab und lernt viel von ihm. Er kann fast keinen Schritt alleine machen, da Pia ihren großen Bruder so toll findet.

Welchen Tipp würden Sie Ihrem jüngeren Ich heute geben?

Meinem Ich von damals würde ich gerne mehr Resilienz mit auf den Weg geben. Die Fähigkeit, sich von anderen nicht verunsichern zu lassen, wenn man die Entscheidung im Inneren schon längst getroffen hat. Ärzte fokussieren sich häufig auf die Risiken und gehen auf Nummer sicher. Das ist wirklich schade, weil die werdenden Mütter und Väter total verunsichert werden. Es war damals schwer, standhaft zu bleiben und sich von äußeren Einflüssen und Meinungen nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Heute weiß ich, dass mein Bauchgefühl mich nicht im Stich gelassen hat. Ich würde meinem jüngeren Ich auch raten, es nicht allen anderen recht machen zu wollen, sondern mehr auf mich und die eigenen Bedürfnisse zu schauen. Mehr mit dem Herzen zu sehen als mit dem Kopf. Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen mit Behinderung die Chance auf eine lebens- und liebenswerte Zukunft bekämen und nicht mehr in eine Schublade gesteckt werden. Eine Welt, in der alle Menschen willkommen sind ... das wäre doch ein Traum!

Wie sehen Ihre nächsten Pläne für Ihr Kind aus?

Nach diesem Sommer wird Pia zur Schule gehen und auch dort wird sie lernen, sich zurechtzufinden. Wir haben uns für eine private Förderschule in Essen entschieden, weil die Klassen dort deutlich kleiner sind und der Personalschlüssel viel besser ist als an städtischen Schulen. Wir wohnen ja in Mülheim, und sie wird dann von zu Hause mit einem Schulbus abgeholt und nach Schulschluss wieder gebracht. Es war keine leichte Entscheidung, weil wir andererseits auch wollen, dass Pias Alltag so normal wie möglich ist, aber Inklusion an städtischen Schulen ist ein schwieriges Thema – die Klassen sind riesig und die Lehrer haben schon mit den „Regelkindern“ alle Hände voll zu tun. Wir hatten Angst, dass unsere Tochter in einem solchen Umfeld „untergehen“ könnte, mal ganz abgesehen davon, dass der Geräuschpegel in solch großen Klassen Pia einschüchtern würde. Das Thema Reizüberflutung ist ein großes Thema, generell für alle Kinder (das ist meine Meinung ), aber für behinderte Kinder umso mehr. Wir möchten natürlich, dass unsere Tochter in ihrem Umfang gut gefördert wird und auch wirklich in ihrem Tempo lernen kann. Wir hoffen jetzt, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben – wir haben es uns, wie gesagt, nicht leicht gemacht, ich hatte zuvor an einigen Schulen hospitiert, um mir einen Eindruck zu verschaffen. Pia selbst war dann an der Schule unserer Wahl für einen kompletten Probeschultag und hat das super gemeistert. Nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Schulleiter haben wir dann zum Glück die Zusage für den Schulplatz bekommen.

Wie geht es Ihrem Kind im Moment?

Pia geht es sehr gut. Sie ist ein glückliches, lebensfrohes, freundliches Mädchen und liebt Pferde , das Reiten und ihren Tanzkurs, den sie einmal in der Woche besucht. Wir können uns ein Leben ohne Pia nicht vorstellen und sind unendlich dankbar, dass wir sie haben. Mit allen Höhen und Tiefen haben wir gemeinsam viele Herausforderungen gemeistert und viele Erfahrungen gesammelt. Ohne Pia würde uns wirklich eine Menge fehlen.

Das Gespräch führte Pia Arras-Pretzler.

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