Da steckt vermutlich oft keine böse Absicht dahinter, nehme ich an, sondern schlicht Ahnungslosigkeit, oder?
Genau. Und eingefahrene Prozesse, Unwissenheit. Eltern mit Trisomie-Kindern müssen ihre eigenen Experten sein –wir haben oft zu hören bekommen, in der Schule zum Beispiel: „Ist ja toll, dass Sie sich so gut auskennen.“ Deshalb ist es wichtig, sich mit anderen Eltern zu vernetzen und Informationen auszutauschen. Der Verein Kleeblatt deckt die erste Zeit mit Trisomie-Kindern super ab. Wenn es später darum geht, in Schule und Beruf einen guten Weg für sein Kind zu bahnen, dann ist der Verein Gemeinsam Leben und Lernen essenziell. Dort geht es allgemein um Inklusion, nicht nur von Down-Kindern. Der Verein setzt sich dafür ein, dass in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention vor allem im Bereich inklusiver Bildung umgesetzt wird. Da gibt es noch unglaublich viel zu tun: Aktuell gibt es in Düsseldorf den ersten jungen Mann mit Trisomie 21, der ein Berufskolleg besucht! Und das auch nur auf Initiative der Eltern, die aktiv auf die Bezirksregierung zugegangen sind. Ich finde es traurig, dass sich in Düsseldorf erst ein Kolleg für die Inklusion geöffnet hat. Bisher sind die Schüler nach Ratingen oder Mettmann geschickt worden. Das muss man sich mal vorstellen – so ein mieser Schnitt in der Landeshauptstadt!
Ich sage immer wieder: Irgendwann schreibe ich alles auf, was wir als Familie so erlebt haben, und werde Stand-up-Comedian. Das glaubt man nicht, wenn man es nicht erlebt hat: In der Grundschule hat man unseren Sohn ganz selbstverständlich in AGs wie die Salat-AG oder die Entspannungs-AG einsortiert. Ich meinte dann, mein Sohn ist von seiner Disposition her schon sehr entspannt, der braucht Förderung und keine Entspannungs-AG, da würden mir aus dem Stand ein paar andere einfallen, die eher Entspannung brauchen. Und eines seiner ersten Wörter war „Fleisch“, der mag keinen Salat! Eine zusätzliche Fördereinheit wäre schön! In der Grundschule werden durch ein Kind in dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung 4 ½ Stunden eines Sonderpädagogen finanziert. Durch den Lehrermangel werden die Sonderpädagogen jedoch häufig als Klassenlehrer eingesetzt und stehen für ihre eigentliche Aufgabe, der Förderung der Kinder mit Förderbedarf, gar nicht zur Verfügung. Heißt auf Kosten der Kinder mit Förderbedarf wird die Fehlplanung im „normalen“ Schulsystem getarnt. Und dann kommt man uns mit der Salat-AG.
Klingt so, als müsste man sich alles erkämpfen.
Ja, und das kostet Kraft. Meine Frau und ich sind zum Glück ein gutes Team – ich bin Physiotherapeut, meine Frau BWLerin, die klickt sich schnell durch verschiedenste Seiten und kennt sich mit rechtlichen Rahmenbedingungen gut aus.
Wenn man mit seinem Kind ankommt, wird man sofort in eine Schublade gesteckt. Als wir uns Kindergärten angeschaut haben, hieß es, es gibt keine behindertengerechten Toiletten. Die brauchten wir auch nicht! Mein Sohn ist ein bisschen langsamer, aber sonst klappt alles völlig normal. „Wir haben schon ein Kind mit Diabetes“, hieß es dann, damit war der Bedarf an Kindern mit Beeinträchtigung offenbar gedeckt. Wir sind dann in einer Elterninitiative gelandet, die total offen mit unserer Situation umging – und es war super. Unser Sohn hat zum Beispiel gleich vom ersten Tag an einen sehr positiven Einfluss auf den Kita-Chaoten gehabt, und das zog sich eigentlich seine ganze Schullaufbahn durch.