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Frau im Glück

Als sich die Lektorin nicht mehr wohlfühlte in ihrem Beruf, probierte sie etwas ganz Neues aus: Sie wurde Märchenerzählerin.

Nicole Mechtenberg steht in einer Kirche und lacht in die Kamera

Pia Arras-Pretzler

08.01.2025

Lesezeit 3 Minuten

Nicole Mechtenberg wird die Jugendkirche an der Kruppstraße für uns buchen, sagt sie. Klingt spannend – und praktisch, weil sie gleich nebenan im Jugendreferat der evangelischen Kirche arbeitet. Die Location erweist sich als ein wunderbarer Ort. Für Gottesdienste, Veranstaltungen und Aktionen aller Art, aber auch, um an diesem grauen Tag miteinander ins Gespräch zu kommen. Der Bereich in der Mitte ist völlig frei, nach oben offen, und lässt die Seele atmen. In den Ecken stehen gemütliche Sofas und ein Klavier, an der Decke glitzert eine Discokugel, und auch Tische und Stühle gibt es. Dort erzählt mir Nicole von ihrem Werdegang. Aufgewachsen ist die Frau mit der angenehmen Stimme in Düsseldorf, in Knittkuhl, zusammen mit ihrer älteren Schwester. Die kleine Nicole erlebt von Anfang an, dass soziales Engagement dazugehört: Schon ihre Großmutter hatte sich in ihrem kleinen Dorf während des Kriegs darum gekümmert, dass die Leute genug zu essen hatten. Ihr Mann wurde als Vorarbeiter eines Bauernhofs in Naturalien bezahlt, die Familie war deshalb ausreichend versorgt und konnte teilen. Nicoles Vater schenkte der katholischen Kirche in Knittkuhl seine Zeit in verschiedenen Ehrenämtern. Nicole zog es als Betreuerin für Freizeiten und Gruppenaktionen eher in die evangelische Kirche, sie konvertierte später auch. „Aus Düsseldorf bin ich aber nie herausgekommen. Ich zog aus Knittkuhl nach Oberbilk und dann nach Bilk, das war’s“, lächelt sie. Auch ihr Berufsleben verlief lange Zeit sehr stabil – schon während ihres Germanistik- und Geschichtestudiums jobbte sie in einem Fachverlag, dem sie über 20 Jahre treu blieb. „Ich war dort Lektorin und konnte Projekte von A bis Z betreuen. Das hat mir viel Freude bereitet.“ Wie für so viele bedeutete Corona auch für sie einen Einbruch: „Ich und ein Kollege waren auch nach dem Lockdown oft die Einzigen im Büro, dabei brauche ich diese Gespräche zwischen Tür und Angel, ich bin ein kommunikativer Mensch und arbeite gern im Team. Ich bin regelrecht vereinsamt und merkte irgendwann: So macht das hier keinen Spaß mehr.“ 

Die Zeit analoger Veranstaltungen ist nicht vorbei!

Nicole Mechtenberg

Wenn sie ihren Werdegang danach erzählt, klingt alles ganz einfach: Bewerbungen geschrieben, Job gewechselt und neue Berufung gefunden, als Märchenerzählerin. Ganz so locker empfand Nicole diesen Umbruch aber nicht: „Tatsächlich war der schwerste Schritt von allem, sich einzugestehen, dass es so nicht weitergeht. Ich wollte weg, aber ich wusste nicht, wohin. Und ich hatte große Angst vor dem Bewerben.“ Dabei war bereits die zweite Bewerbung ein Treffer und führte sie hierher, in die Geschäftsstelle des Jugendreferates, und das erste Unternehmen, das sie zunächst abgelehnt hatte, überlegte es sich später noch einmal anders und wollte sie doch. Da saß Nicole aber schon glücklich in ihrem Büro an der Kruppstraße – „an dem kein Tag wie der andere ist“. Auf die Idee mit dem Märchenerzählen brachte sie eine Coachin. „Die brauchte dafür fünf Minuten. Sie hat mich gefragt: Wenn du dir einen Beruf backen könntest, was würdest du tun? Und ich sagte: den ganzen Tag vorlesen.“ Nicole hatte wie viele der Generation 50+ noch die Stimmen ihrer Kinderschallplatten im Ohr: „Das waren großartige Aufnahmen!“ Weil Nicole (vermutlich zu Recht!) argwöhnte, dass man sich in einem durchstrukturierten Land wie Deutschland nicht einfach hinstellen kann und sagen: Ich bin übrigens Märchenerzählerin!, suchte sie sich eine entsprechende Ausbildung. Fand etwas in der Nähe, schrieb sich ein, zog’s durch. Eineinhalb Jahre lang. Dass sie sich vorher schon mit Sprecherziehung beschäftigt hatte, half. Inzwischen hat sie auch keine Angst mehr, ihren Text zu vergessen: „Gerade bei bekannten Märchen muss der Text ja genau stimmen, aber abgesehen davon lerne ich alle Märchen, die ich erzähle, mehr oder weniger auswendig.“ Auf diese Weise wachsen ihr Märchen ans Herz, mit denen sie erst gar nicht so viel anfangen konnte. Ihre Berufung nimmt sie sehr ernst, und als Germanistin geht sie hochprofessionell an die Texte heran: „Mir ist klar, dass es nicht so einfach ist mit den Märchen. Etwa mit dem Frauenbild, das sie transportieren. Ich mache mir immer Gedanken, für welches Publikum ich erzähle.“ So weit, dass sie die Märchen für eine bestimmte Zielgruppe völlig umkrempelt, ist sie aber (noch?) nicht, zu groß ihre Ehrfurcht vor den uralten Geschichten, in denen nichts grau ist, immer nur schwarz oder weiß, gut oder böse: „Und es kommt immer einer, der hilft, und am Ende schaffen es die Helden aus eigener Kraft.“ Wenn Nicole Märchen erzählt, verkleidet sie sich nicht. Ihre Stimme und höchstens das eine oder andere Klangaccessoire genügen: „Manchmal könnte man eine Stecknadel fallen hören – immer wieder berührend, wie Worte fesseln können!“

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