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Ab jetzt zu zweit

Geschwisterbeziehungen – so individuell wie die kleinen Charaktere sind, die sich Eltern, Kindheit und Spielzeug teilen, so vergleichbar erscheinen die Konstellationen.

Baby liegt auf einer Decke und guckt in die Kamera, Bruder sitzt dabei und wirkt unzufrieden, Mutter spricht mit ihm

Andrea Vogelgesang

03.08.2023

Lesezeit 3 Minuten

Ursachen für Streit, Eifersucht oder Stunden des Zusammengehörigkeitsgefühls sind meist vorhersehbar. Machtlos steht man in der Eltern- bzw. Erwachsenenrolle dem brüder- und schwesterlichen Beziehungsgeflecht keineswegs gegenüber. Das war also der Bauch gewesen, beziehungsweise der Grund, warum er sich über lange Zeit immer mehr gewölbt und manchmal so lustig bewegt hatte. Zum Ende konnte Mama nur noch zur Hälfte umarmt werden. Und jetzt war sie nicht mehr ein Mensch, sondern zwei: Und mit dem von allen so liebevoll beäugten Bündel mussten ihr Schoß und ihre Zeit von nun an geteilt werden.

Alina war bei der Geburt ihrer Schwester sieben Jahre alt. Groß genug, um sich noch ziemlich genau an die Zeit der Schwangerschaft, aber auch an die als „Einzelkind“ zu erinnern und daran, wie sie sich bei der Ankunft des Geschwisterchens fühlte. „Ich war sofort verliebt in das kleine Baby, hatte es oft auf dem Arm, half beim Windelwechseln und sang Schlaflieder. Ich war glücklich über meine Schwester, und gleichzeitig oft sauer auf meine Eltern, denn ich war mir sicher, ihnen unwichtig geworden zu sein.“ Was Alina erzählt, gibt Einblick in Gefühle, die kleinere Kinder für den Familienzuwachs so oder ähnlich wahrnehmen, ohne sie in Worte fassen oder gar differenzieren zu können. Die Sphäre exklusiver liebevoller Nähe zu den Eltern wird dem plötzlich „Großen“ wie von einem Eindringling zerstört. Es nimmt wahr, wie Vater, Mutter und Freunde auf den Neuankömmling reagieren. Der Thron wackelt. Es ist auch nicht selten, dass das Zweitkind als Nesthäkchen bevorzugt wird, während das Ältere plötzlich zurückstecken muss. Das richtet sich dann in einer Mischung aus Emotionen und Enttäuschung gegen das Geschwisterchen und legt den Grundstein für die Qualität der Beziehung.

Typisches Verhalten

Oftmals fallen Erstgeborene in die Babysprache zurück, wollen plötzlich wieder aus der Milchflasche trinken oder auch eine Windel tragen. Das mag den stressigen Alltag in der neuen Familienstruktur, in der sich Gewohnheiten und Abläufe für alle erst einspielen müssen, nicht gerade erleichtern. Eltern sollten keinesfalls Ungeduld oder Gereiztheit auf das Kind übertragen, das nun, dem Neuankömmling gleich, auch wie ein Baby behandelt werden möchte. Dem sollte man vorbeugen, indem man dem großen Kind bewusst Aufmerksamkeit schenkt, aber seinem Alter und seiner neuen Position gemäß, damit es erst gar nicht mit dem Kleinen konkurriert.  Schon vor der Geburt kann man die Weichen stellen. Erzählungen aus der eigenen Babyzeit des Erstgeborenen, in der es auch so süß und klein war und umhegt und gepflegt werden musste, helfen. Gleichzeitig sollte man ihm deutlich machen, was es schon alles kann und ihm dementsprechende Aufgabe zutrauen. Das erleichtert, das Geschwisterchen und die neue Situation anzunehmen. Der große Bruder oder die große Schwester spürt, egal wie alt, zum ersten Mal im Leben, dass eine Zeit unwiederbringlich zu Ende gegangen ist, aber auch eine spannende neue Phase beginnt.

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Wichtige Bezugspersonen

Der Vater, die Großeltern oder andere Bezugspersonen spielen eine wichtige Rolle: Gewohnheiten und Rituale, die nach der Geburt des Zweiten helfen können, sollte man schon vorher anlegen – zum Beispiel vorlesen, ins Bett oder in den Kindergarten bringen. Dann fällt die Umgewöhnung leichter. Judiths Kinder sind drei Jahre auseinander: „Ich hatte Glück. Meine Eltern haben sich viel um die Dreijährige gekümmert, sind mit ihr auf den Spielplatz gegangen oder sie durfte bei ihnen übernachten. Bei Oma und Opa stand sie ganz im Mittelpunkt und wenn sie nach Hause kam, hat sie sich immer auf das Baby gefreut.“ Auch Vater und Mutter können immer wieder mal alleine einen besonderen Tag mit dem Größeren verbringen, wobei sie nicht immer mit einem Auge auf das Baby abgelenkt sind. Im Falle unterschiedlicher Zuwendung oder gar Bevorzugung warnt die Expertin für Geschwisterforschung und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Inés Brock aus Halle (Saale) vor der Gefahr, dass das ein Geschwisterverhältnis auf Dauer schwächen und unterschwellig aggressiv machen könne. Hat ein Kind ursprünglich vielleicht gar nicht die Intention, dem Brüderchen oder Schwesterchen wehzutun, macht es das in der Folge heimlich und absichtlich, aus Enttäuschung und um sich zu „rächen“. Inés Brock weist darauf hin, dass in der Folge die Konflikte in der Geschwisterbeziehung wachsen würden.

Wertvolle Übung

Dabei ist der Kontakt zwischen Bruder oder Schwester sehr wesentlich und bietet die Chance, Bewältigungsstrategien für die Außenwelt einzuüben. „Ich habe zwei Brüder und wir waren Freund und Feind zugleich. Wir haben gekämpft und geteilt. Ich habe da viel fürs Leben gelernt“, erzählt der fünfzigjährige Lukas, der mittlerweile selbst vier Söhne hat. Und er fügt hinzu: „Ich möchte sie auf keinen Fall missen.“

Status in der Familie 

Der Kinder- und Jugendpsychologe Hurrelmann beschreibt die Geschwisterbeziehung als eine von allen menschlichen Verbindungen am längsten währende, die unter annähernd Gleichrangigen eben auch am stärksten durch Konkurrenz und Rivalität geprägt sei.  Das meint eigentlich einen Kampf um die Liebe der Eltern und materialisiert sich in scheinbaren Banalitäten eines zum Beispiel größeren oder kleineren Stückes Kuchen oder des mehr oder weniger gefüllten Limoglases. Wenn Eltern und Familie neben der Begeisterung und Faszination über den Familienzuwachs sich in die Situation des oder der älteren Geschwister hineinversetzen und einfühlsam mit ihnen umgehen, legen sie  einen soliden Grundstein für eine lebenslange freundschaftliche Verbindung.

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