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Geschwisterbeziehung aktiv fördern

Geschwister können sich bis aufs Blut bekriegen. Haare ziehen, prügeln, spucken, kratzen, beißen oder verbal attackieren. Alles ist möglich. Zum Glück geht die Rivalität nicht so weit wie im Tierreich, in dem sich bestimmte Vogelarten aus Mangel an Ressourcen an den Geschwistern tödlich vergreifen. Dass ein älteres Küken ein jüngeres tötet oder verzehrt, kommt bei Adlern und Pelikanen vor. Auch unter Wasser sieht man das Phänomen. Bei Sandtigerhaien jagen die am besten entwickelten Embryonen schon im Mutterleib nach Eiern oder geschlüpften Geschwistern, töten und verspeisen sie.

Zwei Jungs umarmen sich, im Hintergrund: blaue Wand

Laura Rüther

04.11.2025

Lesezeit 4 Minuten

Kannibalismus unter Homo sapiens finden wir in unserer zivilisierten Gesellschaft nicht. Lebensmittel sind in der Regel ausreichend vorhanden und bei knappen Ressourcen reden wir hauptsächlich von der Zeit und Aufmerksamkeit der Eltern. Dennoch können die endlosen Streitereien zwischen Geschwisterkindern – selbst bei harmlosem Ausgang – zermürbend sein und man fragt sich, warum sich stets ein Kind benachteiligt fühlt? „Max hat das Stück vom Schokocroissant mit mehr Füllung“ oder „Warum darf Sophie wieder das Gutenacht-Buch auswählen?“ Man gewöhnt sich daran, schmunzelt hin und wieder ob der Belanglosigkeit des Streitthemas und kann vielleicht kleine Triumphe feiern, wenn Hilfsstrategien aufgehen wie: „Sophie, das nächste Croissant teilt Max und du suchst dir die Hälfte aus“ oder „Sophie sucht drei Bücher aus, Max, du entscheidest, welches davon heute gelesen wird. Morgen andersherum.“ Aber anstrengend ist diese ständige Streiterei allemal. Kinder profitieren von Geschwistern, auch wenn es im Streitmodus nicht immer danach aussieht. Das Aufwachsen mit vielen Geschwistern fördert ein kooperatives Verhalten laut einer kanadischen Studie aus diesem Jahr. Zudem können Kinder erste Beziehungsstrategien erleben, verschiedene Rollen ausprobieren und haben im besten Fall Verbündete fürs Leben. Und was die Streitigkeiten angeht, es gibt einen Lichtblick. Mehrheitlich wird in der Geschwisterforschung die Meinung vertreten, dass – längsschnittlich betrachtet – Rivalitätskonflikte zwischen Geschwistern mit zunehmendem Alter abnehmen.

Die Phasen der Geschwisterbeziehung

Generell kann festgehalten werden, dass es während der gesamten Kindheitsjahre ganz entscheidend von den Eltern abhängt, ob sich zwischen den Geschwistern eine positive, von Rivalität weitgehend ungetrübte Beziehung aufbaut und aufrechterhält. Im Laufe des Lebens verändert sich die Beziehung zu den Geschwistern. Wie Eltern die Kinder dabei im positiven Sinne begleiten können, wird anhand der folgenden Phasen skizziert, die die Geschwister durchlaufen.

Anfangszeit

Bevor das Baby kommt, kann das Geschwisterkind schon positiv auf den Neuzuwachs vorbereitet werden. Je nach Alter des erstgeborenen Kindes können Bücher zum Thema Geschwister vorgelesen werden und die Vorfreude auf den Familienzuwachs geschürt werden. An erster Stelle aber sollen die Eltern dem Kind die Sicherheit vermitteln, dass das neue Kind nicht ersetzt, sondern eine Familienergänzung ist. Ist das Baby da, darf das erstgeborene Kind nicht die Erfahrung machen, dass es jetzt nicht mehr in den Arm der Mama kann, weil das Baby da ist. Gerade beim allerersten Kennenlernen der Geschwister sollen die Hände frei sein für das Kind, das schon da ist. In dieser einmalig intensiven Anfangsphase erleichtern viele Hände den guten Übergang in die neue Familienkonstellation. Also so viel Unterstützung wie möglich organisieren, sei es Familie, Freunde oder Hausangestellte. In der Anfangszeit profitiert das Erstgeborene von regelmäßigen Qualitätszeiten mit einem Elternteil ohne das Baby.

Frühe Kindheit 

Während der Kindheit sind Geschwister eine Handlungs- und Erprobungsgemeinschaft.  Die Geschwister sind sehr nah und verbringen viel Zeit miteinander. Geschwister sind oft die erste Bezugsperson, Freund:in, Spielkamerad:in und am wichtigsten: Verbündete gegen die Eltern. Aber Geschwister sind nicht nur Spielkameraden, sondern auch ewige Nervensägen, Konkurrent:innen und Kritiker:innen. Je näher sie beieinander sind, desto mehr Reibungsflächen entstehen. Zudem hat jedes Kind von Geburt an sein eigenes Temperament und das beeinflusst maßgeblich, ob sich die Geschwister anfreunden oder eher zanken. In der frühen Kindheit ist es zunächst Aufgabe der Eltern, einer Beziehung zwischen den Geschwistern den Weg zu ebnen. In den ersten Phasen sollten die Eltern den Ansprüchen beider Kinder gerecht werden und somit die Beziehung zwischen den Geschwistern regeln. Das bedeutet auch aktiv in das Konfliktmanagement gehen: Früh Regeln sichtbar machen, einfache Lösungswege aufzeigen, wie das Teilen und Abwechseln. Lob verteilen bei kooperativem Verhalten und keine Schuldzuweisungen bei Konflikten. Zudem sollten Kinder die Möglichkeit haben, individuelle Rückzugsmöglichkeiten aufzusuchen.

De-Identifikation und Pubertät

Mit der Zeit versuchen sich die Geschwister voneinander abzugrenzen. Das nennen Experten „De-Identifikation“, vereinfacht gesagt: auf keinen Fall das machen, was die Geschwister machen. Die Geschwister suchen ihre eigene Nische. Das kann zum Beispiel ein Hobby sein, das von den anderen Geschwistern nicht gemacht wird, und es dadurch keine Konkurrenz gibt. Hier können die Eltern den Kindern helfen, ihre Talente zu fördern, ihre Interessen zu entdecken. Ausprobieren, gemeinsam reflektieren und vor allem den Kindern selbst nicht Rollen zuweisen wie „die Schüchterne“ oder „der Unmusikalische“. In der Phase sollen weiter die Konfliktlösungsfähigkeiten gestärkt werden und es bleibt wichtig, gleichwertige Zeiten für jedes Kind sicherzustellen. Durch das Abgrenzen nimmt im Laufe der mittleren und späten Kindheit Geschwisterrivalität tendenziell ab, wobei Ausnahmen die Regel bestätigen. In der Pubertät lösen sich die Kinder langsam und versuchen, sich selbst zu finden. In dieser Phase ist es ratsam, die Autonomie der Kinder zu respektieren und Nähe bewusst zu gestalten, sprich Freiräume geben, aber regelmäßige gemeinsame Aktivitäten anbieten. Geschwister profitieren auch in dieser Zeit davon, wenn Traditionen wie Urlaube und Festtage weitergeführt werden, um die Zugehörigkeit zu stärken. Die größte Distanz haben in der Regel Geschwister, wenn sie mit Beruf, Kindern oder Partnern zu tun haben. Im Alter wird die Beziehung dann oft wieder enger. Auch diejenigen, die sich nur gestritten haben, können im Alter wieder zusammenfinden.

Neueste Erkenntnisse aus der Forschung über Geburtenreihenfolgen 

Ältere Geschwister sind verantwortungsbewusster und zuverlässiger und minimal intelligenter* als die nachfolgenden Kinder, jüngere hingegen kreativer und risikofreudiger: Über Vorurteile wie diese wird seit Jahrzehnten diskutiert und das auch in der Wissenschaft. Eine neue Studie aus diesem Jahr hat insbesondere die mittleren Kinder ins Visier genommen. Ashton und Lee haben mit ihrer Studie herausgefunden, dass „Sandwichkinder“ besonders kooperative Persönlichkeiten haben und widerlegen bisherige große Untersuchungen, die keinen Zusammenhang zwischen bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und Geburtenreihenfolge gezeigt hatten. Dabei sei allerdings nicht nur die Position der Geschwister entscheidend, sondern vor allem auch die Anzahl: Je mehr Geschwister Kinder haben, desto ehrlicher, bescheidener und verträglicher seien sie in Bezug auf andere. Die Sandwichkinder haben in der Studie sehr hohe Werten auf der Ehrlichkeit-Bescheidenheit-Skala. Laut Autoren vermeiden Sandwichkinder es eher, andere zu ihrem persönlichen Vorteil zu manipulieren, fühlen sich wenig dazu verleitet, Regeln zu brechen, sind nicht an verschwenderischem Reichtum und Luxus interessiert und haben keinen besonderen Anspruch auf einen höheren sozialen Status.

* Psychologische Studien der Unis Mainz und Leipzig zeigen, dass etwa 60 Prozent der Erstgeborenen einen leicht höheren Intelligenzquotienten als ihre jüngeren Brüder und Schwestern aufweisen. Die Forscher vermuten, dass sich Erstgeborene zunächst der ungeteilten Aufmerksamkeit der Eltern erfreuen können und so besser gefördert werden. Auch der sogenannte Tutor-Effekt könnte eine Rolle spielen: Die Ältesten profitieren dabei selbst davon, dass sie ihren jüngeren Geschwistern die Welt erklären.
 

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