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Ulla Bundrock-Muhs im Porträt

Ulla Bundrock-Muhs von der querkopf-akademie hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit Jugendlichen statt über sie zu sprechen.

Porträtvon Ulla Bundrock-Muhs

Pia Arras-Pretzler

26.06.2025

Lesezeit 3 Minuten

Ulla Bundrock-Muhs ist gerade dabei, das Haus ihrer Großeltern zu renovieren. Es riecht (wunderbar!) nach Farbe, viel ist bereits erledigt, einiges steht noch an. Das Haus sei aus „alten Steinen“ erbaut – welche Steine das wohl waren, fragt sie sich. Denn hinter dem Haus liegt der alte jüdische Friedhof, vorn am Eck stand eine Synagoge, aber dazu hat Ulla Bundrock-Muhs noch nichts gefunden. Im Moment hat sie auch alle Hände voll zu tun – seit einem sehr erfolgreichen Get-together zwischen Schüler:innen der Graf-Recke-Hauptschule und Erwachsenen aus Wirtschaft und Politik in den Rheinterrassen im vorigen Jahr haben die Ereignisse sich (wieder mal) überschlagen und Ulla Bundrock-Muhs steht mindestens knietief in einem Anschlussprojekt, dessen Ausmaße sie anfangs völlig unterschätzt hat. Aber fangen wir von vorn an: Ulla wurde am letzten Tag des Jahres 1955 geboren, machte Abi in Düsseldorf und studierte in Neuss Deutsch, Kunst und praktische Philosophie fürs Lehramt. Mehr als 20 Jahre arbeitete sie sehr engagiert an einer Realschule in Meerbusch, und eine erfolgreiche Projektwoche ließ sie erkennen: Wenn man Jugendlichen zuhört, sie mit Erwachsenen zusammenbringt und kräftig trommelt, passiert Erstaunliches. Damals schafften es die Jugendlichen mit langem Atem und viel Engagement, dass die erste Skaterbahn von Meerbusch gebaut wurde. Erfolg auf ganzer Linie, aber auch Stress: Durch das Projekt wurde Bundrock-Muhs zur Vorzeige-Lehrerin der Schule und gefragte Interviewpartnerin in den Medien, was mit der Zeit auf mehreren Ebenen anstrengend wurde. Weil sie jede Menge Fortbildungen in der Tasche hatte, beschloss sie, sich als Coach selbstständig zu machen und gründete die querkopf-Beratungsstelle für Jugendliche und Erwachsene. „Ich komme ins Spiel, wenn gar nichts mehr geht – für Schulverweigerer, Langzeitarbeitslose, bei Kontaktabbruch mit den Eltern.“ 

Jeder steht an einer Stelle, an der er etwas tun kann.

Ulla Bundrock-Muhs

Und sie erklärt mir ihr Bild von einem Querkopf: „Mein Logo zeigt: Der Querkopf ist eigentlich schlau, er trägt einen Doktorhut. Von Außenseitern kann man viel lernen, wenn man ihnen zuhört. Und: Der Querkopf steht zwar am Rand, aber er hält die anderen an der Hand, denn er will eigentlich Kontakt.“ Parallel dazu entstand die querkopf-akademie, die Jugendlichen in der Welt der Erwachsenen Gehör verschaffen und die beiden vernetzen möchte. Die Aktion in den Rheinterrassen war eine solche Gelegenheit und ein voller Erfolg, sowohl für die Schüler:innen als auch für die Erwachsenen, die einen völlig neuen Blick auf Hauptschüler:innen gewannen. „Wenn man erst einmal nachfragt, welche Geschichten hinter den einzelnen Schüler:innen stecken, dann sieht man das Potenzial. Diese jungen Menschen sitzen aus unterschiedlichsten Gründen in der Hauptschule.“ Unterstützt wurde diese Aktion unter anderem von Stiftung Sterntaler. „Sich nicht aus der Öffentlichen Hand finanzieren zu lassen, ist anstrengend, hat aber den Vorteil, dass ich frei fliegend agieren kann – ein kleines Segelboot in einem großen Hafen ist flexibler als ein Tanker.“ Und nun zum anfangs erwähnten Anschlussprojekt: Nach der gelungenen Aktion mit der Graf-Recke-Schule zeigten sich auch die anderen sechs Hauptschulen Düsseldorfs an einer Zusammenarbeit interessiert, und so überlegte sich Bundrock-Muhs Folgendes: Um mit den Schüler:innen ins Gespräch zu kommen, würde sie einen Fragebogen erstellen. „Der sollte verschiedenste Themen umfassen und unterschiedlichste Dinge abfragen.“ Diesen Fragebogen verteilte sie an die 2500 Schüler der Hauptschulen Düsseldorfs, Mitstreiter Ralph Jörgens wertete die insgesamt 47 Fragen aus, und jetzt kommt’s: Seitdem tingeln die beiden mit den klassengenau aufgeschlüsselten Ergebnissen durch jede einzelne Hauptschulklasse, stellen sie den Jugendlichen vor und besprechen sie mit ihnen. Knapp die Hälfte der insgesamt 110 Klassen haben sie bereits abgegrast, und weil ich sie an einem Vormittag begleiten durfte, kann ich ermessen, was das bedeutet. Erstens: Drei Schulstunden nehmen den ganzen Vormittag in Anspruch. Zweitens: Die Lehrer, die ich treffen durfte, leisten großartige Arbeit. Drittens: Am Ende des Tages sind die Käsebrötchen, die das Ministerium Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung sponsert, verteilt, und so manche Frage beantwortet, aber die To-do-Liste wird mit jeder Klasse länger, denn Ulla Bundrock-Muhs hakt nach. Warum sie das alles macht? Den Jugendlichen in der Schule erklärt sie es so: „Mein Kollege und ich sind die Vergangenheit dieses Landes, ihr seid die Zukunft. Und damit die gut wird, ist es wichtig, dass wir uns alle als Teil dieser Gesellschaft fühlen.“ Die Frage nach dem Zugehörigkeitsgefühl beantwortet nämlich oft bis zur Hälfte einer Klasse mit „Nein“. Höchste Zeit, darüber ins Gespräch zu kommen und aktiv zu werden.

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