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Sicher unterwegs ins Leben

Sobald die Schule beginnt, ploppen in Eltern-WhatsApp-Gruppen gern auch mal Warnungen vor zwielichtigen Gestalten auf, die Kinder auf dem Schulweg ansprechen. Dann ist guter Rat teuer, was wir mit dieser Information anfangen.

Die Hand einer Frau hält die Hand eines Kindes, im Hintergrund Pflastersteine

Pia Arras-Pretzler

20.08.2024

Lesezeit 3 Minuten

Statistisch gesehen ist es für Kinder am sichersten, überhaupt nicht zur Schule zu gehen. Zumindest, was Verkehrsunfälle angeht. Die gingen während der Corona-Schulschließungen nämlich dramatisch zurück. Angestiegen sind in dieser Zeit die Fälle häuslicher und sexualisierter Gewalt in den Familien. Warum ich das erzähle? Weil es sehr gut zeigt, wie schwierig es ist, Gefahren realistisch einzuschätzen. Unser Gehirn stürzt sich mit Begeisterung auf Geschichten, die es emotional mit Futter versorgen, und bewahrt sie stur im Speicher – auch wenn es sich um negative Gefühle handelt. Wenn wir also von vermissten Kindern lesen, merken wir uns das sehr gut und es beeinflusst die Art und Weise, wie wir die Gefahr einschätzen, wenn unser Kind ohne uns unterwegs ist.

Verzerrte Wahrnehmung

Würde jeder Autounfall, in den Kinder verwickelt sind, die gleiche Aufmerksamkeit bekommen, stünde uns klar vor Augen, dass wir Kinder vor allem fit für den Straßenverkehr machen müssen – und das Verkehrsaufkommen vor den Schulen selbst so gering wie möglich halten sollten. Auch beim Thema sexualisierte Gewalt neigen wir zu verzerrter Wahrnehmung und denken dabei erst an den bösen Unbekannten – dabei sind ein Großteil der Täter Menschen, die den Opfern bekannt sind.

Böser fremder Mann?

Das bestätigt mir auch Marion Heyers, die bei der Düsseldorfer Polizei für den Bereich Kriminalprävention und Opferschutz zuständig ist. „Bei Veranstaltungen mit Eltern stelle ich immer zuerst die Frage, wie oft ihrer Meinung dieses Horrorszenario eintritt, dass ein Kind von einem Fremden entführt wird. Fakt ist: So etwas kommt praktisch nie vor. Missbrauch findet meist im eigenen Umfeld statt – und Kinder kennen diese Menschen.“

Bauchgefühl respektieren

Der Schulweg scheint also gar nicht wirklich das Problem zu sein. Ist das jetzt eine gute oder eine schlechte Nachricht? Eigentlich eine gute: Kinder, die zu Hause gelernt haben, dass sie auf ihr Bauchgefühl hören dürfen, werden diesem Bauchgefühl auch unterwegs vertrauen. Weil die meisten von uns gern nett und verbindlich sind, tun wir uns aber oft schwer, den Zwiespalt auszuhalten, in den uns ehrliche Reaktionen unserer Kinder bringen. Etwa, wenn sich unser Kind weigert, der Tante ein Begrüßungsküsschen zu geben. Wer es schafft, seinem Kind trotz des enttäuschten Blicks der Schwägerin zu signalisieren: „Ich respektiere dein Gefühl und unterstütze dich“, hat schon sehr viel richtig gemacht.

Laut werden!

Auf sein Bauchgefühl zu vertrauen ist das eine – für sich einstehen und laut werden will aber auch geübt sein. Diesen „Übungen“ unserer Kinder im Alltag Raum zu geben, ist anstrengend. Aber vielleicht hilft der Perspektivwechsel, damit wertschätzender umzugehen und dem Drang zu widerstehen, schlechte Gefühle wie Frust oder Wut unserer Kinder zu schnell zu überdecken – mit einer Ablenkung, etwas Leckerem zu essen … Es ist wichtig, dass Kinder ihre Eltern als verlässliche, stabile Sparringspartner erleben, die auch mit den negativen Emotionen zurechtkommen und miese Stimmung aushalten. Aber reicht ein guter Kontakt zu den eigenen Gefühlen und Erfahrung im Lautwerden als Schutz vor Übergriffen aus? Wir ahnen es: nein. 

Zuhören, ohne zu werten 

Erwachsene haben einen weiteren wichtigen Job: zuhören und aufmerksam sein. „Wenn zum Beispiel mein Kind ankommt und meint, der Nachbar Schmitz ist blöd, dann frage ich auf jeden Fall vorsichtig nach, was an dem denn so blöd ist, statt zu sagen: Aber der ist doch so nett und füttert immer die Kaninchen für uns, wenn wir im Urlaub sind“, erklärt Marion Heyers. Und noch etwas hält sie für essenziell: seinem Kind zu vermitteln, dass es alles erzählen kann, und dass man auch aushalten wird, was es zu sagen hat. „Kinder möchten ihre Eltern schützen, deshalb schweigen sie.“ Auch viele Eltern würden lieber schweigen, wenn es ums Thema sexualisierte Gewalt und Übergriffe geht. Zerstören wir mit Warnungen nicht die heile Welt unserer Kinder und machen ihnen damit nur Angst? „Diese Vorbehalte kann ich verstehen. Es geht aber nicht darum, Angst zu machen, sondern Kindern altersgerecht zu erklären: Die meisten Menschen sind nett, aber nicht alle. Und wenn du ein komisches Gefühl hast, dann brauchst du nicht zu tun, was ein Erwachsener von dir will. Und du darfst auch laut sagen, was du nicht willst.“

Im Mittelpunkt der Familie

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