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Nur noch kurz die Welt retten ...

Der Begriff Nachhaltigkeit klingt schlicht und harmlos, dahinter steckt aber ein dringende Botschaft. In unserer neuen Serie „Nachhaltig leben als Familie“ schauen wir auf die Geschichte, die Gegenwart und Zukunft und überlegen, welchen Beitrag wir auch schon mit kleinen Kindern leisten können. Dabei begleiten wir Familien, die das Thema Nachhaltigkeit bereits heute in ihren Familienalltag integriert haben.

Kleines Mädchen auf einem Acker, schaut ins Ausschüttrohr einer Gießkanne

Andrea Vogelgesang

02.03.2023

Lesezeit 5 Minuten

Rohstoffmangel und Energiekrisen – ein Problem der Gegenwart? Weit gefehlt. Genauso wenig wie Nachhaltigkeit ein moderner Begriff ist, der angesichts der aktuellen Krisen in Talkshows, politischen Debatten oder im privaten Umfeld ständig im Fokus steht. Ressourcen sind auch schon viel früheren Generationen ausgegangen. So war Europa Anfang des 18. Jahrhunderts zu großen Teilen entwaldet. Angesichts des drohenden Holzmangels, eines der wichtigsten Rohstoffe dieser Zeit, verfasste Hans Carl von Carlowitz 1713 das Werk „Sylvicultura oeconomica“, in dem er forderte, dass künftig nur noch so viele Bäume gefällt werden dürften, wie durch planmäßiges Nachpflanzen auch nachwachsen könnten. Damit ist er als Begründer des Prinzips der Nachhaltigkeit in die Geschichte eingegangen. Interessant ist auch ein Seitenschlenker in andere Sprachen, der einen weiteren Aspekt verdeutlicht: Im Spanischen zum Beispiel heißt es sostenibilidad, sustainability im Englischen, was Erhalt bedeutet. Dahinter verbirgt sich auch der Aufruf, erst gar nicht zu verbrauchen. Wir sind alle im buchstäblichen Sinn im Überfluss aufgewachsen und hatten, wie man so sagt, zu viel des Guten. Nun aber, über 300 Jahre nach Carlowitz’ Forderung, sind längst weitere und noch mehr Ressourcen ausgeschöpft und es geht trotz besseren Wissens immer weiter. Wir verbrauchen so viele Ressourcen, als stünden uns drei Erden zur Verfügung. Das hört sich an, als seien wir machtlos, etwas dagegen zu tun? Oder können wir einen Beitrag leisten?

Einfach nachhaltig

Diese Gedanken beschäftigen die vierzigjährige Sophie ständig, immerhin hat sie zwei kleine Töchter, um deren Zukunft sie sich sorgt. Sie sollen von Anfang an beteiligt sein. Aber wie es ihnen nahebringen, mit wortreichen Erklärungen und Vorträgen? Wohl kaum. Die Art des Zugangs hängt vom Alter ab. Kleine Kinder imitieren in der Regel, was sie in ihrem Umfeld erleben, sie lernen also sehr stark über die Nachahmung. Und so verzichtet Sophie darauf, den abstrakten Begriff „Nachhaltigkeit“ zu erläutern. Sie lässt ihn vielfältig im Alltag lebendig werden. „Mein Mann und ich diskutieren viel, was wir tun können, um unseren Beitrag für einen guten ökologischen Fußabdruck zu leisten, was wir tun können, um unseren Kindern und den nächsten Generationen eine möglichst intakte Welt zu hinterlassen“, erzählt sie. „Aber wir wollen sie auch einbeziehen, damit sie es von Anfang an lernen. Wir tun etwas und dann kommen die Fragen. In unserer Nähe gibt es zum Beispiel einen Unverpackt-Laden mit Bio-Lebensmitteln. Unsere Töchter finden es toll, wenn wir mit unseren leeren Weckgläsern losziehen und sie sie im Geschäft dann befüllen dürfen“, berichtet die Mutter. Und sie fügt hinzu, wie sie selbst die Atmosphäre bei solchen Einkäufen genießt mit dem ästhetischen Anblick all der Glasbehälter mit farbenfrohem Inhalt. Für ihre drei- und fünfjährigen Töchter werde Einkaufen so auch zu einem haptischen Erlebnis. Und dabei lernen sie automatisch, dass man auf sinnlose Einwegverpackung verzichtet. Und noch etwas ist ihr wichtig: „Ob zum Einkaufen oder in die Kita, wir benutzen das Lastenfahrrad. Wenn wir richtig Zeit haben, dürfen sich die Kinder auch selbst fortbewegen, also entweder zu Fuß oder mit ihren Rollern. Zum Glück wohnen wir so zentral, dass wir das Auto meistens stehen lassen können. Das funktioniert natürlich nicht bei allen Familien so unkompliziert.“

Nachhaltige Entwicklung im Unterricht fördern

Eine Studie der der Arbeitsgruppe Didaktik der Biologie der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (JGU) aus dem Jahr 2021 ergab, dass nur 12 Prozent der Schüler:innen im Alter von elf bis 13 Jahren sich in ihrem Alltag aktiv für den Schutz der Natur einsetzen würden. Zwar hätten sie Verhaltensabsichten, aber sie würden nicht danach handeln, kommentiert Laura Christ von der Arbeitsgruppe Didaktik der Biologie, die die Studie durchgeführt hat. Aber mit der Bewegung „Fridays for Future“ zeigt sich eine gegenläufige Tendenz. Nachhaltigkeit interessiert nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche. Sie stehen auf für die Rettung der Erde – ihrer Zukunft.

 

Natur erleben – achtsam handeln

Mareike ist ihre Nachbarin und Freundin. Sie sieht das ähnlich wie Sophie. „Über Nachhaltigkeit muss man sprechen, aber wichtiger ist, dass man auch dementsprechend handelt. Bei uns ist das längst zur Gewohnheit geworden – eine innere Haltung“, sagt sie und freut sich, so oft wie möglich mit ihrem Sohn und Sophies Kindern in den Wald zu gehen, und zwar bei Wind und Wetter. „Das tut uns allen gut und wir können die Kleinen mit allen Sinnen die belebte Umwelt beim Spielen, Blätter- und Früchtesammeln spüren lassen. Kinder haben noch einen direkten Zugang zur Natur und den sollte man pflegen.“ Die Spielraumplanerin Erika Brodbeck zeigt sich allerdings besorgt über einen schleichenden Prozess fehlenden Naturumgangs bei Heranwachsenden, der zur Naturentfremdung führe. Elementare Naturbegegnungen würden kaum noch stattfinden. Und der Psychologe Ulrich Gebhard betont, dass die Erfahrung von äußerer Natur bedeutsam für die Entwicklung der inneren Natur des Menschen sei. Im Spiel draußen würden Kinder eins mit der Natur, ganz unbewusst. Die Naturpsychologie weist dementsprechend auf die stabilisierende, entspannende und beruhigende Wirkung für Körper und Geist hin. Und davon hängt später ein mehr oder weniger respektvoller Umgang mit der Natur, mit der Erde ab. 

Zu Großmutters Zeiten

Früher sprach man von Sparsamkeit, heute heißt es Nachhaltigkeit. Wer hat nicht noch in Erinnerung, dass die Großeltern alles andere als verschwenderisch lebten. Anna ist dreißig und erwartet bald ihr erstes Kind. Schon seit sie vor zehn Jahren auf Christian Felbers Buch „Gemeinwohl-Ökonomie“ stieß, interessiert sie sich für das Thema. Und sie hat jetzt auch vor, ihren Nachwuchs in diesem Sinne zu erziehen. Wenn sie an die Besuche bei ihren Großeltern in ihrer Kindheit denkt, erinnert sie sich, dass sie, ohne den Begriff zu nennen oder zu kennen, Nachhaltigkeit vorgelebt haben. „Sie brauchten sich in den 90er-Jahren eigentlich gar nicht einzuschränken, ganz im Gegenteil, es gab alles im Überfluss“, berichtet Anna. „Aber die Zeiten der Entbehrung steckten ihnen noch in den Knochen. Ich weiß noch ganz genau, wie sie leere Brottüten nie einfach wegschmissen, sondern sie für unseren Proviant zum Beispiel für ein Sonntagspicknick nutzten. Danach wurden sie noch als Mülltüten gebraucht. In den Supermarkt nahm Oma immer ihr Einkaufsnetz mit. Und dann gab es regelmäßig Resteessen und das war richtig lecker“, erinnert sich Anna an ihre Ferienmahlzeiten bei den Großeltern.


In Nordrhein-Westfalen gibt es das Landesprogramm „Schule der Zukunft“ als Initiative der Ministerien für Schule und Umwelt für eine nachhaltige Entwicklung in allen Schulformen. In diesem Projekt sollen alle 17 Anregungen der UN  schulisch aufgearbeitet werden. Dazu gehören die Auseinandersetzung mit Themen wie Armutsbekämpfung, Bauen und Wohnen, Digitalisierung, Energie und vielen mehr. Auch die soziale Nachhaltigkeit mit gleichen Chancen für alle Menschen ohne Ausbeutung und ökonomische Nachhaltigkeit lernen die Schüler:innen. Weitere Infos unter sdz.nrw.de.

 

Zu warten wäre eine Schande ...

Christian Felber macht mit seinem Buch „Gemeinwohl-Ökonomie“ auf den verschwenderischen Umgang mit Nahrungsmitteln aufmerksam und beschreibt, wie er seine junge Familie und sich ausschließlich mit Containern, also mit Lebensmitteln aus der Tonne, ernährt hat. Das tat er mit dem Ziel, angesichts der Hungersnöte weltweit, des Klimawandels und des immensen Aufwands an Energie und Wasser für die Lebensmittelproduktion möglichst wenig verwertbare Nahrung im Müll landen zu lassen. Discounter entsorgen in der Regel jeden Abend an die 45 Kilogramm noch essbarer Lebensmittel. Die Welternährungsorganisation der UN spricht davon, dass ungefähr 30 bis 50 Prozent der Nahrungsmittel in Europa und Nordamerika auf dem Müll landen, 30 Prozent davon sogar ungeöffnet. „Und genau da können wir doch etwas tun und uns an die eigene Nasenspitze fassen“, fügt Anna hinzu. „Es schockt mich, dass in Deutschland ungefähr zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr einfach weggeschmissen werden. Es gibt auch das plakative Beispiel: Wenn wir mit drei Einkaufstüten aus dem Laden kommen, wird so viel nicht gebraucht, als ließen wir regelmäßig eine ganze Tasche stehen.“ Indem man bewusster darauf achtet, Lebensmittel vollständig aufzuessen und sich vor jedem Einkauf gut überlegt, was wirklich gebraucht wird, reduzieren sich unnötige Abfälle. Mit der richtigen Aufbewahrung und Lagerung kann zudem unnötiges Wegschmeißen vermieden werden. Der Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir findet deutliche Worte: „Wir wollen die Lebensmittelverschwendung in der gesamten Wertschöpfungskette – vom Feld bis zum Handel – reduzieren“. Es gehe um ein gesellschaftliches Umdenken hin zu mehr Wertschätzung für Lebensmittel und denen gegenüber, die sie herstellen. Es gibt also Hoffnung, dass das Thema Nachhaltigkeit bei Familien und gerade auch jungen Menschen immer mehr zu einem zentralen Thema wird. Mehr darüber, wie Familien die Herausforderung meistern können, Nachhaltigkeit in den Alltag zu integrieren, ohne dass es in Stress ausartet, erfahrt ihr auf unserer Website und in den nächsten Ausgaben der Libelle.

Vier Buchcover liegen wie zufällig neben- und übereinander

Buchempfehlungen zum Thema

Die Gemeinwohl-Ökonomie Christian Felber, Zsolnay-Verlag, aktualisierte Neuauflage 2018, Euro 11,99

Wetten, dass wir die Erde retten Nicole Steiner, 6 – 12 Jahre, Bookmundo Direct 2022, Euro 12,99

Da ist eine wunderschöne Wiese: Umwelt-Bilderbuch Wolf Harranth, 5 – 7 Jahre, Jungbrunnen 1985, Euro 16
 
Auf der Tonnenseite des Lebens Antje Leser, ab 13 Jahren, Magellan 2022, Euro 18

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