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O du fröhliche

Erster Weihnachtsfeiertag. Am frühen Morgen tapsen die ersten Kinderfüßchen die Treppe hinunter, um bei dem neuen Puppenhaus haltzumachen und ausgiebig damit zu spielen. Um das Puppenhaus herum gastiert das Chaos – unter Geschenkpapierbergen findet sich beim Aufräumen noch ein unausgepacktes Paket:

Geschenke türmen sich zu einer Welle auf, Illustration

Tanja Römmer-Collmann

01.12.2022

Lesezeit 2 Minuten

Ein Lego-Set für den Siebenjährigen, der dieses aber nur flüchtig würdigt, weil er gerade in sein neues Buch vertieft ist. In dieser Szene manifestiert sich ein Verdacht, der vielen Eltern immer wieder kommt: Sollten wir das Thema Schenken neu überdenken? „Wir sind doch alle Getriebene des Konsumfetischismus. Wenn man so will, hat der Konsum die heilige Kommunion ersetzt“, analysiert Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt, der als Soziologe an der Uni Köln Prozesse des Gebens erforscht, die sich immer schneller drehende Geschenkespirale. So stiegen laut einer Statista-Befragung im Jahr 2021 die Ausgaben für die alljährlichen Weihnachtsgeschenke auf eine Summe von rund 522 Euro pro Kopf – vor vier Jahren waren es noch 472 Euro. Aus dem ursprünglichen Akt der Liebesbekundung, als dessen Prototyp der Besuch und die Gaben der Heiligen Drei Könige gelten, ist oftmals der Versuch geworden, Liebe zu erkaufen. „Eltern neigen zum Verwöhnen“, führt Schulz-Nieswandt aus, „aber damit werden sie ihrer Verantwortung nicht gerecht. Geld verdirbt den Charakter; das Kind verliert die Wertschätzung gegenüber Dingen, lernt keine Selbstbegrenzung kennen und kann infolgedessen auch nicht genießen.“

Rituale erhalten

Auch Gerhard Vogel, Leiter der Erziehungs- und Familienberatungsstelle Wersten, plädiert dafür, sich wieder auf den tieferen Sinn des Weihnachtsfests zurückzubesinnen:  „Wie das Kind im Stall wünschen sich Kinder Wärme, Schutz, Geborgenheit, Anerkennung und dass die Eltern für sie da sind“, sagt er.  „Daher sollte an den Festtagen das Zusammensein der Familie im Vordergrund stehen und die Familie die Gelegenheit nutzen, ihre Familienkultur zu pflegen.“ Durch die Allgegenwart der Medien und den andauernden Sog der Konsumwelt sieht Vogel mit Besorgnis, dass weihnachtliche Rituale erodieren und aus der Gesellschaft zu verschwinden drohen.  „Daher ist es wichtig, dass Eltern, aber auch Erziehende dem etwas entgegenhalten – und zum Beispiel den Basteltermin in der Kita weiterhin anbieten.“ Während für die kleinen Kinder das Beschenktwerden im Vordergrund stehe, könne man etwas älteren Kindern durchaus auch schon das Abgeben und Schenken näherbringen und zum Beispiel mit ihnen gemeinsam in der Vorweihnachtszeit nicht mehr benutztes Spielzeug und Kleidung an Bedürftige weitergeben.

Der goldene Mittelweg

„Weniger ist mehr“ – diese Faustregel legt Vogel als systemischer Familientherapeut Eltern beim Geschenkekauf ans Herz.  „Und damit das gelingt, ist eine gute Kommunikation wichtig“, sagt er, „insbesondere bei Alleinerziehenden und Patchworkfamilien.“ Denn wenn es große Geschenke wie eine Playstation unabgesprochen gibt, vertiefen sich rund ums Fest die Gräben in der Familie womöglich noch. „Geschenke können eine unheimliche Kälte ausstrahlen“, weiß Vogel und Schulz-Nieswandt zitiert einen Papst: „Der Gott der Liebe ist kein lieber Gott.“ Die Herausforderung für Eltern ist, den optimalen Mittelweg zu finden: weder zu viel, noch zu wenig auf dem Gabentisch. „Kinder können durchaus mehr als ein Kuscheltier verkraften, denn ein kleiner Löwe ist etwas anderes als eine kleine Giraffe. Aber es sollten geliebte Einzelstücke bleiben. Wenn das Bett mit 40 oder mehr Stofftieren zugepflastert ist, ist sicherlich eine Grenze überschritten“, erklärt der Soziologe. Diese unsichtbare Grenze zu erkennen und auch durchaus mit den Kindern zu besprechen („Brauchst du neben Ritter- und Polizei- wirklich auch noch Weltraum- und Wasserwelt?“, „Muss denn jedes Sweatshirt von der angesagten Marke sein?“) – das ist die vorweihnachtliche Erziehungsaufgabe. Und wenn die gut erledigt ist, dann leuchten an Heiligabend die Kinderaugen und der freudige, friedliche und frohe tiefere Sinn des Weihnachtsfestes erfüllt die Familien.

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